KOGNITION UND KULTUR |
Geschrieben von: Engin Erkiner |
Donnerstag, 24. März 2016 um 22:01 |
Engin Erkiner: Wie die kollektive (soziale) Kognition ohne kollektives Gehirn möglich ist?
1. EINLEITUNG
In dieser Arbeit wird versucht, die Frage zu beantworten, wie die kollektive (soziale) Kognition ohne kollektives Gehirn möglich ist?
In der Philosophie des Geistes ist das Problem des Körper-Geist-Dualismus bekannt. Es ist ein Problem zwischen einem Geist und einem Körper. Wenn dieses Problem durch „extended Mind“ Thesis aufgehoben worden ist, weil es kein Geist unabhängig vom Körper und der Umwelt gibt, blieb eins-zu-eins Beziehung unverändert. Bei der sozial verteilter Kognition wie kollektive Erinnerung, Problemlösung und Entscheidung gibt es kollektive Kognition. Hier gibt es einen kollektiven Akteur, ein „group mind“ und die alte Beziehung besteht nicht mehr.
Die These, dass die Kognition nicht im Gehirn begrenzt, sondern eine Hybride Funktion des Gehirns, des Körpers, materieller und sozialer Umwelt ist, benötigt eine interdisziplinäre Vorgehensweise. Soziale Kognition (distributed cognition) hat enge Verbindung mit der Soziologie, Archäologie, Philosophie, Sprachwissenschaft u.a. Die Frage der Arbeit verknüpft sich mit der Gruppensoziologie und kollektiven Identität. Obwohl die Menschen –besonders in der kleinen Gruppen- Gemeinsamkeiten in ihrer Denkweise (Problemlösung, Erinnerung usw.) haben, haben sie kein gemeinsames Gehirn. Sie verhalten sich als kollektive Akteure, obwohl nur Individuen und ihr persönliches Gehirn gibt. Wie verhält sich eine Gruppe von Menschen ohne gemeinsames Gehirn in einem bestimmten Bereich des Lebens als kollektive Akteure? Gibt es eine enge Beziehung zwischen kollektiver Identität und sozialer Kognition? Wie finden die kollektive Entscheidungen wie gemeinsame Problemlösung, ohne Existenz des gemeinsamen Gehirns statt? In der vorliegenden Arbeit wird erstens die Theorie der Artefaktkonstruktion, dann extended- und soziales Mind und ihre Unterschiede dargestellt. Nach einer Kurzerklärung über die Gruppenidentität und Gruppenarbeit werden verschiedene Exemplare der kollektiven Identität und sozialer Kognition erläutert. Mit der Schlussbetrachtung und der Literaturliste endet die vorliegende Arbeit.
2. ARTEFAKTE PRODUKTION UND IHRE FUNKTION
Menschen ändert ihre Umgebung ständig. Die Evolution wurde bis vor kurzem als Anpassungsfähigkeit definiert, aber diese Definition wird seit einigen Jahren als fehlerhaft bewertet. Menschen in ihrer langen Evolutionsgeschichte ändern ihre Umgebung und damit beeinflusst ihre eigene Entwicklung (co-evolution). Sie produzierten Artefakte, die ihre Evolution und die kommende Generationen beeinflussten. Die von den Menschen produzierte materielle Welt ist nicht passiv, sondern beeinflusst die Weiterentwicklung und Kultur. Handy kann als Beispiel des modernen Artefakts betrachtet werden. Handy als verbreiteter Massenkonsum braucht wichtige technische Voraussetzungen wie Satelliten, industrielle Produktion der Halbleiter und verbreitete Konstruktion der Basis-stationen. Wenn Handy einen festigen Bestandteil des täglichen Lebens ist, ändert dies das private und gesellschaftliche Leben. Ort und die Entfernung verlieren ihre Bedeutung für die zwischenmenschliche Kommunikation. Man braucht nicht zu Hause oder im Büro sein, um jemanden durch die Festnetz anzurufen oder braucht keine Telefonkarte und klein Geld für das öffentliche Telephone. Mann kann jeder Zeit und am jeden Ort aller Welt telefonieren. Die Entfernung hat ihre Bedeutung verloren. Mit der Handynutzung ist die Privatsphäre der Personen deutlich eingeschränkt. Mann ist fast immer erreichbar und kontrollierbar. Durch das Handy ändert sich auch die Kriminalitätsbekämpfung. Außer den neuen Ab-hörmöglichkeiten ist die Verortung einer bestimmten Person durch die Basisstationen jeder-zeit möglich. Wenn Handy internetfähig ist, bestehten weitere Kommunikationsmöglichkeiten. Geschäft- und Privatleben ist nicht wie vorher voneinander getrennt, sondern jeder Zeit und an jedem Ort integriert. Die Geschäftsleute schalten oft ihre Handys aus, wenn sie im Urlaub sind, um Freizeit zu haben, die einzige Möglichkeit ist die provizorische Ausschaltung ein bestimmtes Artefakt. Handy ist einer der modernen Artefakte, ein wichtiger Bestanteil der zeitgenossischen materiellen Kultur. Es wird von Menschen produziert und verursacht zur großen Änderung der Lebensart.
„Material culture – that is, everything from stone tools, to fishing rods, to portable works of art, to monuments, and pens and paper – has clearly been instrumental in making humans smarter and more capable animals.“ (Boivin, 219)
3. DER ERWEITERTE GEIST
Die auch als aktiver Externalismus bezeichnete These basiert auf der Annahme, dass die aktive Rolle der Umwelt die kognitiven Prozesse steuert. (Clark-Chalmers, 27) Die aktive Rolle der Umwelt bei den kognitiven Prozessen ist nicht neu. Die kausale Beziehung zwischen der Umwelt und dem kognitiven Prozess ist in der Philosophie des Geistes seit langem bekannt. Erweiterter Geist beinhaltet einen konstitutiven Prozess für die Kognition, dieser Prozess findet nicht nur im Gehirn statt. Laut Clark-Chalmers geht es um eine Entkopplung mit dem Gehirn und einem Objekt in der Umwelt. Der entscheidende Punkt der “Erweiterter Geist” These ist: Einige kognitiven Prozesse sind nicht nur kausal, sondern konstitutiv. Dieser Prozess findet außerhalb der Grenzen des Gehirns.
Ich höre eine Werbung von der Radiosendung, damit erinnere ich mich die Bestellung meiner Frau. Erinnerung, die ein kognitives Prozess ist, ist in diesem Fall kausal. Die Umwelt –Radiosendung- verursacht zur Erinnerung. Im Fall des Notizbuches für die Registierung der Rufnummer sogar der Termine ist die Argumentation anders. (Statt Notizbuch kann auch Handy verwendet werden.) Wenn sich eine Person (Z.B. Otto) nur mit Hilfe seines Handys ihre Termine und Rufnummer erinnern kann, hat diese Erinnerung nicht nur eine kausale Beziehung. Otto erinnert sich nicht die entsprechende Nummer oder den Termin, nur er wusste, dass sie im Handy gespeichert worden sind. Der kognitive Prozess fand mit der Entkoplung eines Objektes (Notizbuch, Handy) außerhalb des Gehirns. Kognitiver Prozess beinhaltet eine hybride Kombination des Gehirns, der Umwelt und des Körpers (die Hände sind nötig, um das Notizbuch umzublättern oder auf dem Handy zu recherchieren.)
Erweiterte Kognition soll in jedem einzelnen Fall separat bewertet werden. Eine Unter-scheidung zwischen phänomenaler Zustände (Empfindungen, Emotionen usw.) und intelligenter Leistungen wie Lernen, Problemlösung usw. ist nötig. Nicht alle Prozesse im Gehirn sind erweitert. Im Fall des Notizbuchs, die erweiterte Kognition und “parity principle” ist unterschiedlich, wenn Otto nur die Namen und die Rufnummer notierte oder Vor- und Nachname geschrieben hat. Obwohl er in jedem Fall das Notizbuch braucht, um die Rufnummer zu wissen, ist die Funktion des Gedächtnisses unterschiedlich.
Erweiterte Kognition konzentriert auf die technischen Artefakte (Notizbuch, Handy usw.); die soziale Umwelt meistens ignoriert wird.
4. SOZIALE KOGNITION
Soziale Kognition (distributed cognition), wird meistens als „group cognition“ genannt.
„… group cognition, defined broadly as the collaborative performance of cognitive tasks such as remembering, problem solving, decision making, or verbal creativity fort he purpose of producing a group-level outcome.” (Theiner, 347)
Die Menschheit hat sich ab Anfang ihrer Entwicklungsgeschichte ziemlich lange Zeit als Jägergruppe organisiert. Eine Gruppe braucht immer eine Aufgabenverteilung, um effektiv zu arbeiten. Gruppenarbeit in ihrer verschiedenen Formen war und ist immer wichtig, egal ob sie eine Theatergruppe aus der Zeit von Shakespeare, die 6-8 Theaterstück in einer Woche spielten (Tribble, 1) oder eine der wissenschaftlichen Forschungsgruppe ist. Soziale Kognition befürwortet die These „erweiterter Geist“. Kognitive Prozesse finden nicht nur im Gehirn statt, sondern auch außerhalb des Körpers und in diesem Fall ist die wichtigste Umwelt nicht nur die verschiedenen Objekte (materielle Artefakte), auch andere Menschen.
„… bei erweiterten kognitiven Prozessen nach wie vor einen Akteur und sein Gehirn als kognitiven Kern gibt, bei verteilten Prozessen und group minds hingegen nicht. (Walter, 95)
Der Mensch lebt niemals allein, sondern immer in einer kleinen oder großen Gruppe. Gruppenleben beeinflusst und ändert die individuelle kognitive Fähigkeit. Soziale Kognition ist auch konstitutiv. Statt im Notizbuch oder auf dem Handy zu recherhieren, kann Otto die entsprechende Rufnummer von seiner Frau erfahren. ( Sterelny, 472) Im klassischen Fall gibt es nur ein Gehirn. Kognitive Prozesse mit dem Einfluss der Umwelt finden am Endpunkt in einem Gehirn statt. Im Fall Otto und seine Frau findet eine Art von kollektiver vorgehensweise statt. Einer braucht, anderer erinnert, wenn es nötig ist, Otto gibt einige Tippen für die richtige Erinnerung. Was geschehen ist, ist die kollektive Arbeit der zwei Gehirne.
Soziale Kognition ist vielfältig und reicht von den Familien und Verwandtschaften bis zu kleinen Gruppen, Religionsgemeinschaften und nationalen Identitäten und wie später erläutert wird, zu Identitäten im sozialen Netzwerk.
„… there are different levels of collective consciousness or mind distribution. They need not to be countable ‘cultures’, bu may be present at any level: from family, community or society to a deeper configuration comprising ‘culture’ as a whole, in the abstract.” (Barnard, 257)
Verwandtschaftliche Beziehungen beinhalten die soziale Kognition. Ein Kind wird durch die Eltern sozialisiert, damit es die familiäre- und gesellschaftlichen Werte verinnerlicht. Durch den Sozialisationsprozess wird eine kollektive Identität formiert. Die soziale Kognition gilt nicht nur für die familiären und verwandtschaftlichen Gruppen, sondern auch für die großen Gruppen, in denen keine solche Beziehungen gibt. Zwei Typen der sozialen Kognition werden erläutert: in den kleinen Gruppen (Face-to-Face Beziehung) und in der Ferne oder zwischen den Unbekannten.
4.1. KLEINGRUPPE Kleingruppe ist auch Sozialgruppe genannt und besitzt einige Merkmale: - Mitgliederzahl ist von drei bis 25 Personen, - Wir-Gefühl der Gruppenzugehörigkeit - “Ein System gemeinsamer Normen und Werte als Grundlage der Kommunikations- und Interaktionsprozesse,” (Schäfers, 21) - Ein gemeinsames Gruppenziel und entsprechende Verhaltensmotiv ist nötig, - Rollendifferenzierung . Durch diese Merkmale formiert sich eine Gruppenidentität, die „als ein kommunikatives Konstrukt verstanden wird“. (Fuhse, 5) Kleingruppen beinhalten per Definition die soziale Kognition. Erinnerung, Problemlösung, Aufgabenverteilung, Zukunftsplanung werden gemeinsam gesprochen und entschieden. Diese „sozial verteilte Kognition“ verursacht zu einer philosophischen Frage:
„Phänomene dieser Art führen unweigerlich zu der Frage, ob, und wenn ja unter welchen Bedingungen und in welchem Sinne, Kollektive selbst zu Trägern kognitiver Leistungen werden können, ob also so etwas wie Kollektivakteure oder group minds möglich sind.“ (Walter, 90)
Es gibt zahlreiche Beispiele für die soziale Kognition in kleineren und größeren Gruppen: Jugendgruppe, Fußballgemeinschaft, Tanzgruppe usw. Sogar die Angehörigkeit zu einer bestimmten Minderheitsgruppe, Religionsgemeinschaft oder zu einer Nation beinhaltet kognitive Gemeinsamkeiten. Diese Ähnlichkeiten stammen aus der Sozialisation und dem gemeinsamen Leben. Sie reagieren fast ähnlich bei einer bestimmten Situation wie ein kollektiver Akteur. Im Rahmen dieser Arbeit werden zwei Beispiele erläutert: Tanzgruppe und sozialer Netz.
4.2. Tanzgruppe Sozial geteilte Kognition ist ein fester Bestandteil der Tanzgruppe, die nicht nur zwischen den Tänzern, auch mit dem Choreograph besteht.
„Instead, they are co-constituted by the interactions between the choreographer and the dance ensemble, the dancers and their bodies and the artistic props and recording devices on which they rely.” (Theiner-O’Connor, 98)
Nach Diskussionen und vielen Übungen wird eine ideale Konstellation zwischen der Musik und Bewegung erreicht. Die Besonderheiten der Bühne und Art der Zuschauer werden natürlich mitkalkuliert. Während der Veranstaltung hat jedes Mitglied der Tanzgruppe ständige Kommunikation mit der Musik, Erinnerung (was er geübt hat), Bewegungen von anderen Tänzern und Reaktionen der Zuschauer (mit oder ohne Applaus). Dieser Prozess wird als “collaborative emergence” genannt. Keine individuelle Kognition kann dieses Resultat erreichen; dafür ist gegenseitige Interaktion in der Gruppe (inkl. Choreograph) nötig. Eine Gruppe ist mehr als die einfache Kombination der Mitglieder. Die Gruppe, die sich mit einer Problemlösung beschäftigt, kann nur mit der gegenseitigen Interaktion arbeiten. Am Ende differenziert Gruppenkognition sich von den individuellen. Das Ergebnis ist vorher nicht bekannt und kann nicht durch die individuelle Kognition erreicht werden. Das emergente Resultat ist das Ergebnis der Gruppenkognition. (Theimer-O’Connor, 105)
4.3. Sozialer Netz „In addition to its potential effects on our individual cognitive profile, the Web als plays an important role in socially situated cognition.“ (Smart, 380)
Durch Facebook, Twitter, YouTube und verschiedene Formen der Internetgruppen besteht die Möglichkeit Bilder und Information auszutauschen, zu diskutieren, Entscheidungen zu treffen und diese zu praktizieren. Als letztes Beispiel werden die Aktionen über die Flüchtlingsfrage erläutert.
Der tote Körper eines Kindes am Ufer der Ägäis hat viele Menschen aus verschiedenen Ländern erschüttert. Er war ein Flüchtlingskind, das mit seiner Familie durch das Meer von der Türkei zum Griechenland erreichen wollte. Die Reise endet mit einer Katastrophe, seine Mutter und Bruder wurden im Meer ertrunken. Das Bild des Kindes und Nachrichten über das tragische Ereignis werden durch Web-Seiten, Facebook, Twitter und YouTube in aller Welt verteilt. Obwohl zahlreiche Menschen miteinander kein Face-to-Face Kontakt haben und ob eine große Entfernung zwischen ihren Wohnorten – z-B- wie Deutschland und Island- ist eine große Hilfsbereitschaft für die Flüchtlinge evident: in der BRD als „Willkommenskultur“ oder auf Island die Erklärung von tausenden Menschen dafür -trotz der negativen Haltung der Regierung, dass sie zu Hause Platz für die Flüchtlinge haben. Der Fußballtrainer, der einen Angriff von einer ungarischen Journalistin erlebt hatte, hat einen Arbeitsplatz in Spanien bekommen, weil der Vorstand des Klubs in Spanien ihm ein Arbeitsangebot machte, nachdem er das entsprechende Bild in dem TV, den Zeitungen und im Internet gesehen hat. Nun kann auch seine Familie nach Spanien immigrieren. Durch die Solidarität mit den Flüchtlingen konstituiert eine kollektive Identität. Diese Identität ist begrenzt mit der Flüchtlingssolidarität und diese Menschen können bei anderen Fragen unterschiedliche Haltung haben. Entscheidung und Problemlösung sind kognitive Eigenschaften. Zahlreiche Menschen in vielen europäischen Ländern entscheiden, sich mit den Flüchtlingen zu solidarisieren und leisten dadurch leisten einen erheblichen Druck über die Regierungen für die Lösung des Problems. Die sozial geteilte Kognition in diesem Fall ist schwacher als die durch Face-to-Face Beziehung entstandene.
5. RESUMEE
In dieser Arbeit wurde versucht, die Frage zu beantworten, wie die kollektive Kognition ohne kollektives Gehirn möglich ist? Zuerst wurden die Produktion der Artefakte und deren Einfluss, dann erweiterte- und soziale Kognition erläutert und das Handy wird als modernes Artefakt dargestellt, das individuelles und gesellschaftliches Leben beeinflusst. Dieses Artefakt spielt eine wichtige Rolle für die erweiterte und soziale Kognition. Als nächstes wurden die Besonderheiten der Kleingruppe und ihre Wichtigkeit für die Gesellschaft erklärt. Die gesellschaftlichen Werte werden durch die kleinen Gruppen verinnerlicht (Sozialisation). Die Erfahrungen der älteren Generation werden durch die familiären, schulischen, arbeitsweltlichen Praktiken zur nachkommenden Generation transferiert. Obwohl die Menschen in einer Familie, in einem Freundeskreis oder in einer wissenschaftlichen Gruppe eine kollektive Identität und sozial geteilte Kognition haben, haben sie kein kollektives Gehirn. Für die Kritiker der sozial geteilten Kognition steht hier ein philosophisches Problem: gemeinsame Kognition ohne kollektives Gehirn. In der Soziologie ist die kollektive Identität ist ein etablierter Begriff, der mit der sozialen Kognition enge Verbindung hat. Ohne mitgeteilte Meinungen, Informationen, Erfahrungs-transfer, Erinnerungen gibt es keine kollektive Identität. Wie die kollektive Identität ist die soziale Kognition mit Ort und Zeit gebunden. Zum Beispiel die Mitglieder einer Tanzgruppe haben nur während der Übungen und Veranstaltungen sozial geteilte Kognition. In den Gruppen, die sich mit der Lösung eines Problems beschäftigten, gibt es Face-to-Face Kontakt und gemeinsame Arbeitserfahrung. Die sozial geteilte Kognition, die durch zahlreiche Dis-kussionen entsteht, hat einen emergenten Charakter. Die Lösung des Problems ist kein Er-gebnis der individuellen Kognition, sondern ein gemeinsames, durch „group mind“ erreichtes Ergebnis. Hier gibt es Zeit und Ort gebundene „group mind“ aber kein kollektives Gehirn. Im Fall des sozialen Netzes gibt es keine Face-to-Face Beziehung, viele Teilnehmer kennen die anderen nicht. Mit modernen Artefakten wird ein Bild des toten Kindes in zahlreichen Ländern verbreitet und das löst eine große Solidarität mit den Flüchtlingen aus. Bei einem besonderen Thema gibt es ein „global mind“, das nur für bestimmte Zeit gültig ist.
Im allgemeinen gibt es keine gemeinsame, sondern sozial geteilte, mit Ort und Zeit gebundene Kognition. Der Mensch lebt niemals allein, sondern hat ständigen Kontakt mit den anderen. Sozial geteilte Kognition ist ein ständiger Teil seines Lebens. Es ist aber wichtig zu bemerken, dass diese Kognition nicht immer gleich ist. Mit der Änderung sozialer und materieller Umwelt ändert die Interaktion sich ständig. Eine Person die gleichzeitig ein Mitglied der Tanzgruppe, ein Fan von Eintracht Frankfurt und ein Bauingenieur in einer Firma ist, hat drei verschiedene kollektive Identitäten, die verschiedene sozial geteilte Kognition beinhalten.
Die Voraussetzungen für die kollektive Identität (Gruppenidentität), die sozial geteilter Kognition beinhaltet, können auf zwei geteilt werden:
Für kleine Gruppen: Face-to-Face Interaktion, etablierte Verhältnisse (andauernde Zusammenarbeit), intensive Kommunikation zwischen den Mitgliedern. Für große Gruppen: Meistens keine Face-to-Face Interaktion, Diskussion in sozialen Netz, Einfluss des globalen Artefaktes (Bild des Kindes), kumulativer Einfluss der Nachrichten über Syrien (menschliche Katastrophe, Hilfsbereitschaft). Weltweit unvorgesehene Solidarität mit den Flüchtlingen ensteht.
Trotz sozial geteilter Kognition gibt es in beiden Gruppen nur individuelle Gehirne. Die Kognition ist nicht mit dem Gehirn begrenzt, sondern ein hybrider Prozess des Gehirns, Körpers und physische und soziale Umwelt.
LITERATURVERZEICHNIS
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